Warum diese Annahme gefährlich ist
Warum ich Mythos schreibe? Weil es sich hartnäckig hält, dass Wolfhunde aufgrund des Wolfanteils weniger anfällig für Krankheiten sind.
In diesem Blogartikel möchte ich darüber aufklären, warum Wolfhunde keineswegs weniger anfällig für erblich bedingte Krankheiten sind.
Wölfe – frei von Krankheiten?
Zunächst einmal ein weit verbreiteter Irrglaube: Wölfe in freier Wildbahn sind frei von gesundheitlichen Problemen. Das stimmt so nicht. Auch Wölfe können unter schweren Erkrankungen leiden, nur werden diese in der Wildnis nicht dokumentiert oder behandelt. Ein Wolf, der einen epileptischen Anfall erleidet, hat in der Regel keine Überlebenschance. Es gibt auch keine belastbaren Daten zu Erbkrankheiten wie zum Beispiel Hüftgelenksdysplasie (HD) bei wilden Wölfen. Kein Forschungsteam hat bisher eine ordentliche Anzahl Wölfe entnommen und offiziell auswerten lassen.
Dazu eine kleine Anekdote von Fabienne:
Ein Wolfhundbesitzer aus den USA hat einen im Bundestaat Kentucky geschossenen Kojoten in der Farbe „Brindle“ bekommen, um das Fell zu verarbeiten. Brindle kennt man hier auch als gestromt, üblich zum Beispiel in Boxern. Der Wolfhundbesitzer war der Farbe wegen neugierig und entschloss sich, die Kojotenhündin zu embarken.

Wie zu erwarten, erkennt Embark die Hündin als reinen Kojote an, kein Hundeanteil konnte festgestellt werden. Sie war wildlebend und wurde von Jägern geschossen, das heißt, ihre Gene sind sehr wahrscheinlich auch in den wildlebenden Kojotenpopulation in Kentucky vertreten.
Wenn man sich die Gesundheitsuntersuchungen im Embark anguckt, wird es spannend. Sie trägt zwei Kopien der „Von Willebrand Krankheit“, einer Blutgerinnnungsstörung, die dafür sorgt, dass die Tiere generell anfälliger gegenüber Dingen wie Zahnfleischbluten sind und gleichzeitig die Blutgerinnung hemmt, was bei Schnitten, Bissen und Kratzern das Risiko massiv erhöht, zu verbluten. Auch eine Geburt wäre ein extrem hohes Risiko. Mit zwei Kopien ist die Hündin betroffen. Selbst ohne Geschossen zu werden, war ihre Lebenserwartung dementsprechend nicht sehr hoch. Eine einfache Verletzung oder ein Wurf hätte sie ihr Leben kosten können.

Zusätzlich trägt sie eine Kopie SPAID, auch als Shar-Pei Fieber bekannt. SPAID kommt, wie der Name schon sagt, nach aktuellem Wissen vor allem in Shar-Peis vor. SPAID ist eine Autoimmunerkrankung, typisch sind Schübe mit hohem Fieber und starken Gelenkentzündungen. Als Trägerin wäre die Hündin zumindest in diesem Fall von den Folgen verschont geblieben, nur Hunde mit zwei Kopien zeigen Symptome. Wäre sie betroffen gewesen. wäre ihre Lebenserwartung jedoch ebenfalls nicht sehr hoch: Bei betroffenen Hunden ist ein Fieberschub ohne medikamentöse Behandlung meistens tödlich.

Hätte sie einen Wurf mit einem gesunden Partner gehabt, den sie überraschenderweise überlebt hätte, wären dennoch alle Welpen Träger der Von Willebrand Krankheit und jeder Welpe hätte eine 50% Chance, SPAID zu tragen. Da ihr Inzuchtkoeffizient von 9% auf einen Genpool hinweist, der eher etwas abgegrenzt ist, ist es jedoch möglich, dass ihr Partner oder die Partner ihrer Nachkommen nicht ebenfalls Träger oder Betroffene gewesen wären. Die Erkrankungen hätten also sehr wahrscheinlich auch schwere Folgen für die nächsten Generationen.
Wolfhund – Das Beste aus beiden Welten?
Der Glaube, dass Wolfhunde gesünder seien, basiert oft auf der Vorstellung, dass der Wolfsanteil die Krankheitsanfälligkeit reduziert. Zusätzlich zum Wolfsanteil spielen aber auch die Gene aller Hunderassen, die in die jeweilige Mischung einfließen, in die Rechnung mit ein. Das bedeutet, dass die Bandbreite an möglichen Erbkrankheiten gerade bei Mischlingen sogar größer ist.
Gelenkprobleme wie HD (Hüftgelenksdysplasie) und ED (Ellenbogendysplasie) sind bei Schäferhunden weit verbreitet und können bei Mischungen mit Wolfhunden auftreten.
Die Degenerative Myelopathie (DM), eine immer schlecht verlaufende Nervenkrankheit, ist ebenfalls in vielen Wolfhunden vertreten, ebenso wie MDR1, eine genetische Mutation, die zu Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Medikamenten führt.
Als Beispiel hier Wolfhündin Ella, die über 50% Wolfsanteil hat:

Auch Augenkrankheiten, besonders bei nordischen Rassen im Mix, spielen eine große Rolle.
Zuletzt ist die Collie Eye Anomalie im Trägerstatus beim Tamaskan wieder aufgetreten.
Vorsorge ist der Schlüssel
All diese möglichen Krankheiten zeigen, wie wichtig es ist, Wolfhunde gründlich untersuchen zu lassen, bevor man sich für die Zucht entscheidet. Gängige Gesundheitsuntersuchungen sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass Erbkrankheiten wie DM oder Zwergenwuchs nicht an zukünftige Generationen weitergegeben werden. Gerade bei HD und ED sollten Halter und Züchter darauf achten, Partner sorgfältig auszuwählen, um das Risiko zu minimieren.
Ganz wichtig: Nur offizielle Auswertungen von speziell geschulten Tierärzten liefern aussagekräftige Ergebnisse. Haustierärzte sind in der Regel nicht umfassend genug geschult, um verwertbare Diagnosen bei genetischen Problemen wie HD, ED oder Augenerkrankungen zu stellen.

Dokumentation als Schutz
Noch wichtiger als die Tests selbst ist eine ordentliche Dokumentation. Es gibt zahlreiche Krankheiten, für die es bislang keine Testmöglichkeiten gibt, wie zum Beispiel die Addison-Krankheit oder Epilepsie. Wenn diese Erkrankungen nicht sauber dokumentiert werden, kann es passieren, dass sie sich über Generationen hinweg in einer Zuchtlinie festsetzen. Ohne klaren Nachweis des Ursprungs bleibt der Auslöser unentdeckt und im schlimmsten Fall müssen ganze Zuchtstämme aus der Zucht genommen werden. Das verringert nicht nur die genetische Vielfalt, sondern birgt auch die Gefahr, dass gesunde Gene verloren gehen.
In unserer Datenbank werden solche nicht-testbaren Erkrankungen sorgfältig dokumentiert und können von Mitgliedern jederzeit eingesehen werden. Im erweiterten Stammbaum können Erkrankungen deiner Wahl sogar gehighlighted werden!
Fazit: Der Mythos vom gesunden Wolfhund
Der Mythos, dass Wolfhunde durch ihren Wolfsanteil weniger krankheitsanfällig sind, hält sich hartnäckig, ist aber schlichtweg falsch. Wolfhunde sind genauso anfällig für Krankheiten, wie andere Hunde. Oft ist es sogar deutlich schwieriger, die Risiken korrekt abzuschätzen, da die Dokumentation deutlich schlechter ist als bei Rassehundeclubs. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Züchter alle relevanten Gesundheitstests durchführen lassen und Auffälligkeiten, für die es keine Tests gibt, transparent dokumentieren. Nur so kann eine verantwortungsvolle Zucht gewährleistet werden, die sowohl den Tieren als auch den Haltern zugutekommt. Die EWA dokumentiert daher so viele Informationen wie möglich um ihren Züchtern und Haltern eine breite Palette an Daten bereitzustellen. Die umfangreiche Datenbank und verschiedene Tools unterstützen dabei, genau dieses Problem zu adressieren. Außerdem verpflichten sich alle Mitglieder zuchtrelevante Informationen zu ihren Hunden beizutragen. So können wir gemeinsam Risiken abschätzen und Krankheiten bekämpfen.